„Wenn ich einmal viel Zeit habe, entsteht hier oben ein Kräutergarten, den es nur einmal gibt.“ Hier oben, das ist ein wunderschöner Südhang direkt über dem Restaurant. Dieses klebt fast wie ein Schwalbennest davor.
Der Steilhang ist teilweise mit Natursteinen und dazwischen mit hässlichen Betonelementen abgesichert. „Da könnte so manches Kraut für die eigene Küche wachsen.“
Das ist die Vision von Martin, einem begeisterten Koch. Aber er arbeitet im eigenen Betrieb als Küchenchef und steht von früh bis spät im Laden. Ein paar unverwüstliche Kräuterstauden hat er schon ausprobiert. Zu mehr reicht die Zeit einfach nicht. Einer seiner Söhne will später in seine Fußstapfen treten und lässt sich gerade im Ausland den Wind um die Nase wehen.
Langsam könnte es damit genug sein, denn der Vater will in fünf Jahren „raus aus der Mühle“. Obwohl, amtsmüde scheint er noch lange nicht zu sein.
Zehn Jahre danach: Das Schwalbennest ist etwas dunkler geworden. Ansonsten scheint alles gleich zu sein, auf den ersten Blick zumindest. Erst als ich hinter dem Haus stehe, sehe ich die Veränderung. Alles grün, kein Beton mehr und nur ganz wenige markante Natursteine sind zu sehen. Aber es sind Querwege erkennbar, richtige Terrassensteige, wie man sie aus Weingärten kennt. Und ganz weit weg sehe ich eine dunkle Gestalt mit einem großen weißen Hut hocken. Sie wippt erkennbar im Takt einer mir unhörbaren Melodie. Fasziniert stehe ich ziemlich lange da und bewundere die Harmonie und Ruhe, die von diesem fernen Punkt ausgeht.
Martin hat seine Vision offensichtlich wahr gemacht. Er hat rechtzeitig angefangen, aufzuhören. Dass seine „Alters-Spinnerei“ – seine eigene Bezeichnung für seine Vision - heute dem Betrieb und ihm selbst großen Nutzen bringt ist das Ergebnis einer wohlgeplanten und erfolgreich gestalteten Übergabe.
Das Lebenswerk wird in Zukunft noch stärker auf die „Kräuterei“ setzen. Der Junior macht sich gerade über die Wirkung der einzelnen Kräuter schlau. Denn zum Zukunftskonzept gehört „Wellness im Restaurant“. Da reicht es nicht mehr, nur den Geschmack der Kräuter zu kennen. Altes Kräuterwissen wird mit innovativen Kochrezepten verbunden, die auf mehreren Kontinenten, vor allem in Asien, gesammelt wurden.
Zusätzlich befinden sich auch selbstproduzierte Kräuterdrinks und Teerezepturen in der Experimentierphase. Die Begeisterung ist sichtbar von einer Generation auf die nächste gesprungen.
Ganz selbstverständlich: Der Junior kauft die Kräuter vom Vater zu normalen Marktpreisen.
Martin hat mir auch noch verraten, dass die Anlage nach drei Jahren fast keine Pflege mehr braucht außer viel schneiden und bewundern. Nicht mal gießen muss er. Er hat mir etwas von Permakultur erzählt, das habe ich aber nicht wirklich verstanden.
Mit seiner Frau singt er regelmäßig in einem Chor und tanzen gehen sie auch... ja, es gibt sie wirklich, die schönen Geschichten eines erfüllten Unternehmerlebens.
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